Gestern am 13.3.09 habe ich die Fachtagung «Personal Learning Environments in der Schule» (#PLE09) der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz in Goldau besucht.
Für mich ist zu diesem Thema die folgende Frage zentral:
Was muss und kann von der (Hoch-)Schule zukünftig berücksichtigt werden, um den (individuellen) Lernbedürfnissen der Schüler/innen bzw. Student/innen gerecht zu werden?
Die Frage ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die (Hoch-)Schule nicht mehr das alleinige Monopol auf die Lehr-/Lerninhalte und auf die zu verwendenden Werkzeuge geltend machen kann.
Das Internet bietet in Bezug auf den ersten Punkt eine Vielzahl von Informationen und Communities, die sich zum selbstverständlichen Teil des schulischen Lernens entwickelt hat. Das kann nicht einfach weggesperrt werden.
Mit Werkzeugen meine ich sowohl Software (z.B. webbasierte Tools), also auch Hardware (z.B. eigene mobile Geräte wie Handies). Student/innen sollen diejenigen Tools nutzen können, die sie ohnehin nutzen. Die damit verbundenen Inhalte werden dadurch lehrgangsunabhängig und können auch nach dem Weggang von der (Hoch-)Schule weiter genutzt und gepflegt werden.
Bis anhin wurde unter Personal Learning Environment die «individuelle Zusammenstellung von (Social-)Software oder Web-Services, die das zumeist informelle Lernen mit dem Computer unterstützen», gemeint (Quelle: Wikipedia). Wenn man das zugrunde liegende Konzept des lebenslangen Lernens ernst nehmen will, darf man aber nicht nur auf die Software fokussieren.
Wunderbar illustriert hat das für mich die Analyse des Begriffes PLE aus der Perspektive des Lernens von Rolf Schulmeister. Er zeigt auf, dass der Begriff PLE zum einen nicht klar umrissen ist und zum anderen auch nicht ein heilbringendes Werkzeug sein kann:
- «Es kann per Definition keine allgemeine Definition von PLE geben, sondern nur eine persönliche.»
- «Ein PLE ist nicht Anstoss, Quelle oder Motiv für das Lernen.»
Was bedeutet das nun aber für die (Hoch-)schule?
Die Meinung, dass durch Nutzung von PLEs und der damit verbundenen Vernetzung, der (gemeinsamen) Reflexion und der möglichen Wissensteilung der Student/innen das Lernen der einzelnen automatisch besser wird, ist sicherlich nicht richtig. Die Anregung und Begleitung von Lernprozessen durch Lehrer/innen bzw. Dozent/innen ist und bleibt aus meiner Sicht zentral.
Die Keynotes von Rolf Schulmeister und Michael Kerres zum Thema waren jeweils sehr stark auf die Tertiärstufe bezogen. Der Titel der Tagung hiess aber explizit «PLEs in der Schule». Ein aus meiner Sicht wichtiger Punkt für die Schule wurde aber dennoch genannt.
Sowohl Michael Kerres als auch Heike Schaumburg haben in ihren Präsentationen erwähnt, dass der Einbezug von persönlichen Tools der Schüler/innen bzw. der Student/innen immer auch eine Aufgabe der Schulentwicklung sein muss. Konkret heisst das für mich, dass die Schulen und die Lehrer/innen sich klar und verbindlich dazu bekennen müssen. Dies könnten sie z.B. tun, indem sie ein (umfassendes) Medienprofil für ihre Schule entwickeln.
Neben den Keynotes gab es an der Tagung eine Reihe paralleler Präsentationen. Das Angebot zeigt mir deutlich, dass das Thema «PLE in der Schule» noch am Anfang steht. Ein rechter Teil des Angebots hatte meiner Meinung nach eigentlich nur wenig mit dem Thema zu tun.
Am krassesten hat sich das bei einer von mir besuchten Präsentation zum Thema «Lernplattform oder PLE» dargestellt. Hier wurden die Online-Tools educanet2, elgg und mahara dazu genutzt, mit einer Schulklasse eine verlinkte Geschichte mit mehreren Handlungssträngen zu produzieren. Gerade so gut hätte man ein Blogsystem (z.B. WordPress), GoogleDocs oder auch einfache Worddokumente zur Umsetzung des didaktischen Szenarios einsetzen können. Ein sehr schönes mediendidaktisches Beispiel, das aber mit dem eigentlichen Thema der Tagung nichts zu tun hatte.
Schade, dass ich bei der Auswahl der Parallel-Präsentationen kein glückliches Händchen hatte.
Alles in allem hat sich der Besuch der Tagung gelohnt. Die Keynotes von Kerres und Schulmeister waren sehr informativ und anregend. Ich habe zudem an diesem Tag interessante Diskussionen mit anderen Teilnehmer/innen führen können. Die Tagung war gut organisiert. Ein herzliches Dankeschön an die PHZ.
Im Netz werde ich nun noch verfolgen, was andere Tagungsteilnehmer/innen meinen (Tag: #PLE09, Twitter, Flickr, Weblogs). Vielleicht entwickelt sich irgendwo ein weiterführender Dialog, z.B. hier 😉
Hier noch einige interessante WWW-Quellen zum Thema PLE (teilweise hier schon einmal publiziert):
- Definitionen/Geschichte: Wikipedia DE / Wikipedia EN (siehe dort auch Literaturliste, Links zu PDFs von Attwell)
- Persönliche Lernumgebungen: Grundlagen, Möglichkeiten und Herausforderungen eines neuen Konzeptes (Schaffert/Kalz, 2009)
- PersönlicheLernlandschaft im E-Learning 2.0: www.elearning2null.de
- Dimensionen von PLEs, gute Linksammlung: mediendidaktik.port07.de
- Einsatz von PLEs in er Hochschullehre: zettelkasten.sabeth.org
Das Thema interessiert mich sehr und wird die (Hoch-)Schulen künftig wohl noch verstärkt beschäftigen. Ich hoffe, dass die zukünftigen Diskussionen nicht aus einer rein technischen Perspektive geführt werden.
Für mich als Grundschullehrerin bedeutet PLE – stärker noch als vielleicht an Hochschulen oder weiterführenden Schulen – nicht nur, dass PLE ein TEIL der Lernumgebung ist, sondern sogar nur ein KLEINER TEIL. Häufig wird vorausgesetzt, dass die genannten Tools oder Geräte den Kindern bereits geläufig sind. Inwieweit ist es dann Aufgabe der Grundschule, dafür Sorge zu tragen, dass die Ausgangslagen der SchülerInnen an weiterführenden Schulen auf diesem Gebiet zumindest ähnlich sind? Wie kann die Grundschule hier mit ihren spezifischen Lernumgebungen aktiv werden (und welche PLEs müssen die Lernumgebungen einer Grundschule beinhalten, um das zu erreichen?)? Und: Was muss der Weg sein in der Grundschule, wenn ich das Ziel „digital literacy“ (ein Zitat Schulmeister) erreichen will?
Das sind Fragen, die mich zur Tagung getrieben haben – und mich noch immer umtreiben.
Auch ich sass im gleichen Workshop und stellte fest, dass auch hier VORAUSGESETZT wurde. Wie aber – und in welchem Umfang – wird Grundschule dem gerecht?
Das genau sind dann die Fragen, mit denen sich die von dir genannte Schulentwicklung beschäftigen muss. Und in der Grundschule könnten die Wege dahin länger sein – weil die Tools der PLEs eben noch nicht bei jedem Kind zum Alltag gehören und eine (schulische) Auseinandersetzung mit ihnen noch nicht zwangsläufig erfolgen muss.
Liebe Anja
Vielen Dank für deinen Beitrag. Ich bin genau deiner Meinung, dass die PLE-Tools im Sinne von ICT-Werkzeugen zur Gestaltung des eigenen Lernraumes in der Grundschule einen sehr kleinen Teil ausmachen (werden).
Grundschüler/innen, die den ganzen Tag in der gleichen Klasse und mit den gleichen Lehrer/innen verbringen, haben wohl kaum das Bedürfnis die eigene Lernumgebung mit einer webbasierten Plattform zu gestalten. Funktionen, die ein PLE übernehmen kann (Wissen sammeln, reflektieren, kooperieren, präsentieren u.a.) werden zu einem grossen Teil vom Unterricht in der Klasse übernommen. Allerdings kann/muss den Schüler/innen (exemplarisch) auch aufgezeigt werden, dass solche Funktionen eben auch von webbasierten Tools übernommen werden können. Es braucht also punktuell durchaus Unterrichtsteile, die die Vorzüge von Online-Arbeit aufzeigen: Gemeinsam Links und Informationen sammeln und strukturiert ablegen, gemeinsam einen Text in einem Wiki erarbeiten, Informationen online präsentieren u.a. Dabei können jeweils auch die die Vor-/Nachteile des Einbezugs von Medien beleuchtet werden.
Ein solcher Einbezug von Medien führt zu einer Verbesserung der digital literacy. Aus meiner Sicht müssen die Schüler/innen erst einmal lernen, die Möglichkeiten der Medien zu nutzen und sich der Potentiale, der Vor- und Nachtteile bewusst zu werden. Das beginnt bereits in der Grundschule.
Du nimmst noch einmal Bezug auf die Schulentwicklung. Die Aufgabe der Schulentwicklung ist es, den aktuellen Stand der Mediennutzung im Unterricht zu analysieren. Daraus können dann entsprechende Ziele und Verbindlichkeiten formuliert werden. Viele Schulen machen aus meiner Sicht den Fehler, dass sie auf der einen Seite die Ziele viel zu hoch ansetzen und auf der anderen Seite keine Verbindlichkeiten schaffen, diese Ziele zu erreichen bzw. überhaupt zu verfolgen. Damit (auch nicht versierte) Lehrer/innen aktiv sein können, müssen die Ziele auch tatsächlich erreichbar sein. Zudem braucht es verbindliche Abmachung innerhalb des Kollegiums und dazu auch ein (kollegiales) Hilfs- und Unterstützungsangebot.
Noch einmal zurück zur PLE. Die Schüler/innen benutzen in ihrem Umfeld verschiedenste Werkzeuge zum Lernen, Spielen und zum Kommunizieren. Dazu gehören Handy und Spielkonsolen genauso dazu wie auch Online-Tools (Skype, Facebook, Wikipedia u.a.). Die grosse Frage ist nun, wie die Schule diese (persönlichen) Werkzeuge einbeziehen kann bzw. ob sie das überhaupt soll und muss.
Interessant fand ich in diesem Zusammenhang die Aussage eines Workshopteilnehmers, der meinte, die Schüler/innen hätten es gar nicht gerne, dass Schule nun auch noch auf ihren privaten Geräten und Profilen «stattfinden» solle. Hier sei auch die Privatsphäre der Schüler/innen zu achten. Das hatte ich vorher noch nie so direkt gehört.
Wie gesagt, das Thema wird mich weiterhin beschäftigen.
Herzliche Grüsse
Thomas
Hallo Thomas,
ich wollte auch ursprünglich zu dieser Tagung erscheinen, bin aber durch die Bezeichnung PLEs in der Schule nicht recht motiviert gewesen. Umso mehr ärgere ich mich nun, dass doch eher der tertiäre Ausbildungsbereich besprochen wurde. Dies mag wohl daran liegen, dass während des Studiums die Selbstlernprozesse im Vergleich zu der Schule zunehmen und ein PLE dort sinnvoller erscheint und einfacher in diesem Zusammenhang erklärt werden kann. Zudem werden auch in den meisten Quellen PLEs in der Hochschule dargestellt als in der Schule. Letzteres ist wirklich ein recht junges Thema.
Auch in meiner Masterarbeit ging es ja um PLEs in der Hochschule. Ich hatte folgende Definition formuliert, um solche Systeme besser eingrenzen zu können: Unter einem Personal Learning Environment wird eine offene, personalisierte und integrierte Lernumgebung verstanden. Diese weist Eigenschaften einer Schnittstelle auf, die eine Verbindung zwischen den individuellen Lernprozessen der Lernenden und den Funktionen und Inhalten diverser Bildungsinstitutionen sowie anderer gegebenenfalls globaler Anbieter ermöglicht. Zu den Merkmalen eines PLEs zählen: die Interaktion mit Lernobjekten, die Möglichkeiten zur Kommunikation und Kollaboration sowie die Adaptierbarkeit. Ich habe in meiner Definition bewusst die Nennung von Lernprozessen –beispielsweise informelles Lernen oder Selbstlernen vermieden – weil diese nicht implizit sind, sondern erst durch die Verwendung eines PLES innerhalb eines bestimmten Rahmens entstehen können.
Deshalb stimme ich Dir auch vollkommen zu, dass der Einsatz eines PLEs nicht zwangsläufig zum effektiven Lernen oder zum Wissensaustausch zwischen den Studierenden führt. Das hat sich doch bislang für alle digitale Medien gezeigt. Die Unterstützung seitens der Lehrenden und die Einbeziehung in die Lehre sind zentrale Elemente hinsichtlich der Nutzung eines PLEs. Wenn die Studierenden keinen Mehrwert in der Nutzung erfahren oder damit überfordert sind, werden sie auch ein PLE nicht verwenden – unabhängig davon wie flexibel oder offen es ist. Erfahrungsgemäss haben Studierende in jungen Semestern schon mit dem Gebrauch von Weblogs oder Wikis Probleme und dann sollen sie schon unmittelbar mit solchen Lernumgebungen umgehen und ihren Lernprozess eigens verwalten und organisieren können! Sie müssen doch erst lernen Inhalte entsprechend zu verfassen, interessante Quellen zu identifizieren und angemessene Inhalte oder Funktionen für ihre PLES zu selektieren. Ferner müssen sie auch lernen sich in einer digitalen Lerngemeinschaft zu bewegen und ein eigenes Profil zu entwickeln. Dafür benötigen sie auf jeden Fall entsprechende Anleitung und Betreuung.
Schade, dass ich mich nicht überwunden habe. Ich hätte Dich gerne wiedergesehen.
Viele Grüsse
Elisabeth
Liebe Elisabeth
Schön wieder mal von dir zu hören. Danke für deinen Kommentar. Schade, dass wir uns an der PLE09 nicht gesehen haben. Das wäre toll gewesen.
Mir war gar nicht mehr bewusst, dass du deine Arbeit zu PLEs geschrieben hast. Jetzt kommts mir wieder in den Sinn.
Interessant finde ich deine Definition von PLEs. Es macht mich gerade an, das in deiner Arbeit noch im Detail zu lesen. Darf ich die Arbeit wohl mal lesen?
Vielleicht kann ich dich demnächst mal anskypen. Würde mich freuen.
Herzliche Grüsse
Thomas
Lieber Thomas
Danke für deinen Beitrag zur Tagung. Als Teilnehmer teile ich deine Einschätzung: Einige der Präsentationen hatten nur einen sehr losen Bezug zum Thema, was wohl auch daran liegt, dass der Begriff PLE sehr breit ausgelegt wird.
Ich werde noch einen eigenen Beitrag dazu in meinem „Bordbuch“ posten.
Herzlich, Urs
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Hallo Thomas,
vielen Dank für Dein Interesse an meiner Arbeit. Diese wird in der nächsten Zeit im VWH-Verlag erscheinen. Wir sind gerade in der Schlusskorrektur. Sobald sie gedruckt ist, sende ich Dir gerne ein Exemplar zu.
Liebe Grüsse Elisabeth
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